Artikel nach Datum gefiltert: Januar 2024
Verfassungsmäßigkeit der Grundsteuer zweifelhaft !
Die Richter des Finanzgericht Rheinland-Pfalz haben Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Bescheide und an der Verfassungsmäßigkeit der Bewertungsregeln des neuen Grundsteuer- und Bewertungsrechts. Die Finanzrichter haben entschieden, dass die Vollziehung der entsprechenden Grundsteuerwertbescheide wegen „ernstlicher Zweifel an der Rechtmäßigkeit“ auszusetzen ist.
Die Richter bezweifeln vor allem, ob die Bodenrichtwerte rechtmäßig zustande gekommen seien. Zudem äußern die Richter Bedenken bezüglich der Datengrundlage zur Ermittlung der Bodenrichtwerte.
Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der gesetzlichen Bewertungsregelungen bekundeten die Richter im Hinblick auf eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes nach Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Der Gleichheitssatz begründe für das Bewertungsrecht ein Gebot der realitäts- und relationsgerechten Grundstücksbewertung. Den Richtern zufolge sei bereits nicht eindeutig, was der genaue Belastungsgrund der Grundsteuer sein solle. Nicht klar sei außerdem, wie überprüft werden könne, ob die durch das Bewertungssystem erreichten Bewertungsergebnisse „relationsgerecht“ seien, also tatsächlich bestehende Wertunterschiede angemessen abbilden könnten.
Zudem meldete das Finanzgericht „ernstliche Zweifel“ daran an, ob die Regelungen des Bewertungsgesetzes überhaupt geeignet seien, eine realitäts- und relationsgerechte Grundstücksbewertung zu erreichen. So würden hochwertige Immobilien systematisch unterbewertet und Immobilien in weniger begehrten Lagen bzw. in schlechterem baulichem Zustand oder mit weniger hochwertigen Ausstattungsmerkmalen systematisch überbewertet. Die Regelungen würden zudem in erheblichem Umfang zu Wertverschiebungen führen, sodass insgesamt nicht mehr von einer gleichheitsgerechten Bewertung ausgegangen werden könne.
Des Weiteren spricht das Finanzgericht von einem gleichheitswidrigen Vollzugsdefizit bei der Ermittlung der Bodenrichtwerte: Die Werte würden häufig aus der Aufteilung von Gesamtkaufpreisen in einen Gebäude- und einen Bodenanteil ermittelt, ohne dass den Gutachterausschüssen effektive Instrumente zur Sachverhaltsermittlung und Verifikation der Angaben von Grundstückseigentümern zur Verfügung stünden.
Das Finanzgericht weist explizit darauf hin, dass es sich um zwei Einzelfälle handelt, über die zudem erst im einstweiligen Rechtsschutz entschieden wurde. Die Aussetzung der Vollziehung der ergangenen Grundsteuerwertbescheide habe zwar zur Folge, dass auch die Vollziehung der in den Streitfällen künftig auf den 01.01.2025 zu erlassenden Grundsteuerbescheide von Gesetzes wegen ausgesetzt werde. Aufgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtsfragen hat das Finanzgericht Rheinland-Pfalz die Beschwerde zum Bundesfinanzhof zugelassen.
Der Eigentümerverband Haus & Grund sowie der Bund der Steuerzahler hatten bereits im April Musterklagen angekündigt. Als Grundlage diente ein Rechtsgutachten von Prof. Gregor Kirchhof. Darin kam der Verfassungsrechtler zu dem Ergebnis, dass das neue Grundsteuergesetz des Bundes verfassungswidrig sei. Kirchhof erachtete gerade die Bodenrichtwerte für ungeeignet, Grundlage für eine Grundsteuer zu sein.
(Beschlüsse des FG Rh-Pf. vom 23.11.2023; Az. 4 V 1295/23 und 4 V 1429/23
Quelle: eigene Recherche, asscompact, Foto: © RomanR / Adobe Stock